Sachverhaltsabklärung
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Rechtsgrundlagen
§ 7 VRG § 3 SHG § 18 SHG § 27 SHV § 28 SHV SKOS-Richtlinien, Kapitel A.5.2
Erläuterungen
1.Abklärung von Amtes wegen und Mitwirkungspflicht
1.1. Grundsätzliches Grundsätzlich gilt im Sozialhilferecht die Untersuchungsmaxime. Das bedeutet, dass die sachlich und örtlich zuständige Sozialbehörde den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat. Allerdings kommt dabei der Mitwirkung der betroffenen Person eine besondere Bedeu-tung zu, ist sie doch verpflichtet, das Notwendige für die Abklärungen beizubringen (§ 7 Abs. 2 VRG; § 18 SHG, § 27 Abs. 1 SHV, § 28 SHV; zu den Mitwirkungsrechten und -pflichten siehe Kapitel 5.1.08). Zudem entbindet die Untersuchungsmaxime die betroffene Person nicht davon, den massgeblichen Sachverhalt darzustellen. 1.2. Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsabklärung Die Mitwirkungspflicht betrifft in erster Linie Tatsachen, welche die betroffene Person besser kennt als die Behörden und welche diese ohne Mitwirken einer Partei gar nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand erheben könnte. Mitwirkungspflichten erschöpfen sich nicht darin, le-diglich Fragen zu beantworten und unvollständige Unterlagen über die finanziellen Verhält-nisse vorzuweisen. Notwendig sind umfassende und genaue Angaben über Einkommen und Vermögen. Umfang und Art der Mitwirkungspflicht von Hilfesuchenden richten sich grund-sätzlich nach der Zumutbarkeit und Verhältnismässigkeit. Ist eine Person zur Mitwirkung nicht in der Lage, darf von ihr eine solche nicht verlangt werden. Unterlässt die mitwirkungs-pflichtige Person allerdings die verhältnismässige, ihr zumutbare Mitwirkung, hat sie die Fol-gen dieser Säumnis zu tragen. Diese bestehen in erster Linie darin, dass die Behörde ihren Entscheid aufgrund der Akten und - soweit dies nicht möglich ist - nach freiem Ermessen trifft. Zur Durchsetzung der Mitwirkungspflicht vgl. Kapitel 14.1.03.
1.3. Sachverhaltsabklärung durch die Behörde Die Abklärung der persönlichen und finanziellen Verhältnisse erfolgt durch Befragung der be-troffenen Person und ihrer Familienangehörigen, durch Beibringen von Unterlagen durch die Antragstellenden, durch Informationsbeschaffung des Sozialdienstes sowie ausnahmsweise durch den Beizug von Sachverständigengutachten. Ausserdem kann sich die Sozialbehörde auf Erhebungen anderer Stellen stützen. Weiter muss die betroffene Person auch über die finanziellen und persönlichen Verhältnisse anderer mit ihr zusammenlebender Personen Auskunft erteilen, soweit dies für den gesetzlichen Auftrag der Sozialhilfe geeignet und erfor-derlich ist (§ 18 Abs. 1 SHG). Das Sozialhilfegesetz kennt keine abschliessende Aufzählung der möglichen Beweismittel. So kann beispielsweise auch ein Augenschein in der Wohnung der betroffenen Person ein Bild über ihre soziale und wirtschaftliche Lage vermitteln. Dabei ist zu beachten, dass Art. 13 Abs. 1 BV den Schutz der Räumlichkeiten des Einzelnen ge-währleistet. Das Interesse auf Sachverhaltsabklärung muss hier gegen dieses Grundrecht sorgfältig abgewogen werden (vgl. dazu Kapitel 1.1.02). Ein Hausbesuch darf also nur durchgeführt werden, wenn dazu ein konkreter Anlass besteht. Er muss in der Regel recht-zeitig angekündigt werden und darf nicht zu Unzeit erfolgen. Im Rahmen der Sozialhilfe darf ein Zutritt zur Wohnung nicht erzwungen werden, sondern nur im Einverständnis mit der be-troffenen Person erfolgen. Notwendige Informationen, welche die Behörde ohne grossen Aufwand selber beschaffen kann, muss sie bei Bedarf aber direkt einholen (z.B. Meldebestätigungen durch die Einwoh-nerkontrolle, Steuerinformationen im Rahmen der Prüfung der Verwandtenunterstützung). Die Behörde ist sodann nicht an die Vorbringen der betroffenen Person gebunden, sondern sie muss - soweit dies notwendig ist - eigene Abklärungen treffen. Sie darf aber den Sach-verhalt nur soweit abklären, als er für sie rechterheblich ist, das heisst, die Abklärung muss in einem direkten Zusammenhang mit der Anspruchsprüfung und der Ausrichtung der wirt-schaftlichen Hilfe stehen. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit oder der Vollständigkeit der von den Mitwirkungspflichti-gen eingereichten Unterlagen und getätigten Angaben, kann die Sozialbehörde auch ohne Zustimmung der betroffenen Person Auskünfte bei Dritten einholen. Dies soweit sie die An-gaben für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt (§ 18 Abs. 4 SHG). Die Sozialbehörde hat die betroffene Person über Auskünfte, die sie über sie einholt, zu informieren. In der Regel er-folgt die Information vorgängig. In Fällen von § 18 Abs. 4 SHG kann die Information auch nachträglich erfolgen (§ 18 Abs. 5 SHG). Zur Informationsbeschaffung durch die Sozialdienste vgl. Kapitel 5.2.05 und Kapitel 5.2.07.
2.Unterlagen der antragstellenden Person zur Sachverhaltsabklärung
Die nachfolgende Aufzählung ist beispielhaft zu verstehen. Das bedeutet, dass nicht in je-dem Fall alle Unterlagen nötig sind, sondern es sind jene Belege einzufordern, die für die Anspruchsprüfung im speziellen Einzelfall notwendig sind.
2.1. Unterlagen zur Person bzw. zu den Personen Es sind für alle zur Unterstützungseinheit gehörenden Personen, also für Ehegatten/-innen, eingetragene Partner/-innen und minderjährige Kinder die Personalien zu klären.
- Schriftenempfangsschein, Personalausweis, Pass oder Identitätskarte
- Ausländerausweis
- Familienbüchlein
2.2. Allgemeine Unterlagen zur finanziellen Situation (Einnahmen und Ausgaben sowie Vermögen)
- Mietvertrag und letzte Mietzinsquittungen
- Krankenkassenausweis und letzte Prämienquittungen
- Rechnungen für Hort, Krippe oder Tagesmutter
- Versicherungspolicen (Hausrat-/Haftpflichtversicherung, Zusatzversicherungen, Lebens-versicherungen, Mietkautionsversicherungen etc.)
- Spar-, Abzahlungs- und Darlehensverträge
- Steuererklärungen bzw. Steuerausweise
- Nachweise weiterer offener Schulden
- Lohnabrechnungen für alle erwerbstätigen Familienangehörigen
- Verfügungen bzw. Ausweise über den Bezug von Leistungen der AHV, IV, SUVA, Krankgentaggeldversicherung und von Zusatzleistungen
- Verfügungen bzw. Ausweise über den Bezug von Kleinkinder-Betreuungsbeiträgen und Stipendien
- Bank und PC-Auszüge der letzten sechs Monate sowie Wertschriften
- Freizügigkeitspolicen der beruflichen Vorsorge
- Abrechnung Pekulium
- etc. 2.3. Unterlagen über weitere Vermögenswerte a. Fahrzeuge (Auto und Motorrad):
- Leasing-, Kauf- oder Abzahlungsverträge
- Fahrzeugausweis
- Versicherungspolice
- etc. b. Liegenschaften (im In- und Ausland):
- Grundbuchauszug
- Versicherungspolicen
- Kaufvertrag
- Hypothekarunterlagen
- Verkehrswertschätzungen
- etc. c. Schmuck und weitere Wertsachen:
- Versicherungsunterlagen
- Schätzungs- und Verkehrswertunterlagen
- etc. d. Unverteilte Erbschaften:
- Erbenbescheinigung
- Erbschaftsinventar
- Unterlagen zum Verfahrensstand e. Buchwerte:
- Depotauszüge
- Verkehrswertschätzungen
- etc. 2.4. Spezifische Unterlagen aufgrund der Situation der betroffenen Person
a. Bei Arbeitslosigkeit:
- Kündigungsschreiben des letzten Arbeitgebers
- Letzte Lohnabrechnung
- Taggeldabrechnungen
- Formulare betr. Arbeitsbemühungen
- Belege über die Aussteuerung
- Unterlagen über besuchte Kurse, Programme während des Bezugs von Arbeitslosen-taggeldern
- etc. b. Bei Arbeitsunfähigkeit:
- Arztzeugnis
- Allfällige Ablehnungsverfügungen von IV, SUVA und Krankgentaggeldversicherung
- etc. c. Bei Scheidung, Trennung und nicht mit beiden Elternteilen zusammenlebenden Kindern:
- Trennungs-, Scheidungs- oder Vaterschaftsurteile
- Belege über Alimentenzahlungen bzw. -verpflichtungen (Kinder- und Ehegattenalimente)
- Belege über den Eingang von Kinder- und Ehegattenalimenten bzw. Alimentenbevor-schussungen
- etc.
3.Beizug von Sachverständigen
Zur hinreichenden Sachverhaltsabklärung genügt es in der Regel, wenn die Behörden über ein Gesuch um wirtschaftliche Hilfe gestützt auf die Akten, die eigenen Wahrnehmungen - insbesondere durch persönliche Befragung - und den eigenen Sachverstand entscheiden. Sachverständigengutachten sind daher nur ausnahmsweise beizuziehen. Der Beizug von Fachleuten kann namentlich zur Klärung von medizinischen Fragen erforderlich sein. So kann beispielsweise eine vertrauensärztliche Untersuchung dazu dienen, die Arbeitsfähigkeit eines Sozialhilfeempfängers bzw. einer Sozialhilfeempfängerin zu prüfen und damit den Sachverhalt zu ermitteln, ob bzw. inwieweit die Voraussetzungen für die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen erfüllt sind.
4.Gewährung des rechtlichen Gehörs
Im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. dazu Kapitel 1.2.02, Ziffer 4) muss der betroffenen Person Gelegenheit gegeben werden sich zu den Sachverhaltsabklärungen zu äussern.
5.Anlegen eines Dossiers
Der Unterstützungsantrag sowie die eingeforderten Unterlagen werden in einem Dossier an-gelegt. Dies auch dann, wenn sich nach Abklärung des massgeblichen Sachverhalts heraus-
stellen sollte, dass kein Anspruch auf Ausrichtung von wirtschaftlicher Hilfe besteht. Zieht die betroffene Person ihr Gesuch zurück, müssen die Mitteilung des Rückzugs sowie Korres-pondenzen und allfällige Aktennotizen von Besprechungen, die zum Rückzug führten im Dossier aufgenommen werden. Die übrigen Unterlagen sollen ihr zurückgegeben werden. Zur Aktenführung siehe Kapitel 6.3.01
Rechtsprechung
Zu Untersuchungsmaxime und Mitwirkungspflichten:
VB.2013.00262: Zur Frage des genügenden Nachweises der Mittellosigkeit bei einer selb-ständig Erwerbenden: Nach Aufgabe eines Kleiderladens aus finanziellen Gründen stellte A. am 2. März 2012 das Gesuch um wirtschaftliche Hilfe unter teilweise belegten Angaben über ihre Verhältnisse. Am 13. April 2012 legte sie weitere Unterlagen ein. Aus diesen hätte auf das Vorliegen der Mittellosigkeit geschlossen werden müssen: Einzufordern sind jene Bele-ge, die für die Anspruchsprüfung im speziellen Einzelfall notwendig sind. Die von der Be-schwerdeführerin bis zum 18. April 2012 eingelegten Unterlagen waren durchaus geeignet, die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin schon in jenem Zeitpunkt zu belegen, selbst wenn sie noch nicht vollständig der Liste der einverlangten Dokumente entsprachen (E.5.3). Es ist nicht einzusehen, weshalb die Beschwerdeführerin aufgefordert wurde, einen Grossteil der bereits eingelegten Belege noch im Original nachzureichen (E. 5.5). VB.2012.00654: Zeitpunkt des Unterstützungsbeginns: Ergibt sich am Ende der behördlichen Sachverhaltsabklärung, dass eine um Sozialhilfe ersuchende Person seit Einreichung ihres Sozialhilfegesuchs mittellos ist, so stehen ihr ab Gesuchseinreichung Unterstützungsleistun-gen zu. Verletzt die gesuchstellende Person während der Dauer der Sachverhaltsabklärung ihre Mitwirkungspflicht, so kann dies allenfalls zu einer Kürzung, nicht aber zur Einstellung der Sozialhilfeleistungen führen. Im vorliegenden Fall gewährte die Sozialbehörde dem Be-schwerdeführer demnach zu Unrecht erst drei Monate nach Einreichung des Sozialhilfege-suchs Fürsorgeleistungen (E. 4.2). VB.2005.00164, E.2.1: Nach § 3 SHG hat die Durchführung der Sozialhilfe in Zusammenar-beit mit dem Hilfesuchenden zu erfolgen. Dieser hat daher bei der Abklärung der für die Un-terstützung massgebenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse mitzuwirken und muss gemäss § 18 SHG und den §§ 27 f. SHV wahrheitsgemäss Auskunft geben und Ein-sicht in seine Unterlagen gewähren (vgl. auch SKOS-Richtlinien, Kap. A.5.2). Umfang und Art dieser Mitwirkungspflicht richten sich grundsätzlich nach der Zumutbarkeit und Verhält-nismässigkeit und entbinden die Behörde nicht von der eigenen Aufgabe, den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, wozu nebst der Befragung der Beteiligten auch die Befragung von Auskunftspersonen, der Beizug von Amtsberichten, Urkunden und Sachverständigen gehören können (§ 7 Abs. 1 VRG). § 27 Abs. 1 Satz 2 SHV sieht denn auch für die Abklä-rung der Verhältnisse den Beizug weiterer Personen ausdrücklich vor, wenn auch davon zu-rückhaltend Gebrauch gemacht werden soll.
VB.2004.00456, E.3.6.2: Eingeschränkt wird der als Verfahrensmaxime grundsätzlich vor-herrschende Untersuchungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflicht der am Verfahren Betei-ligten, wie sie im Verfahren um Gewährung von wirtschaftlicher Hilfe besteht (§ 7 Abs. 2 VRG; § 18 Abs. 1 SHG, § 27 Abs. 1, § 28 SHV). Der Beschwerdeführer unterzeichnete auch eine entsprechende Erklärung. Im Beschwerdeverfahren entbindet die Untersuchungsmaxi-me die Parteien nicht von der Obliegenheit, den massgebenden Sachverhalt in den Rechts-schriften darzustellen. Die objektive Beweislast tragen die Parteien trotz Geltung der Unter-suchungsmaxime. Sie sind daher schon aus praktischen Gründen gezwungen, die ihnen nützlich scheinenden tatsächlichen Behauptungen aufzustellen und entsprechende Beweis-begehren zu stellen. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, systematisch die für die eine oder andere Partei günstigen Tatsachenelemente zu erforschen (Kölz/Bosshart/Röhl, § 60 N. 1).
Praxishilfen
Einholen eines detaillierten Arztzeugnisses
(Schreiben der Sozialbehörde an den behandelnden Arzt / die behandelnde Ärztin) Wir betreuen zurzeit Ihre/n oben genannte/n Patienten/in. Damit wir die für die Unterstützung nötigen Anordnungen treffen können, bitten wir Sie, folgende Fragen zu beantworten (der Fragenkatalog ist beispielhaft zu verstehen):
- Seit wann ist der/die Patient/-in bei Ihnen in Behandlung?
- Weswegen steht er / sie in Behandlung?
- Seit wann ist er / sie und in welchem Grad arbeitsunfähig? Betrifft die Arbeitsunfähigkeit nur die zuletzt ausgeübte Tätigkeit? Falls ja, welche anderen Tätigkeiten kann er / sie in welchem Umfang ausüben? Wann kann mit einer vollständigen Arbeitsfähigkeit gerech-net werden?
- Sofern weitere medizinische Leistungen wie z.B. eine Therapie, Kur oder Diätnahrung aus ärztlicher Sicht angezeigt sind, können Sie diese hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit genauer begründen?
- Ist aus Ihrer Sicht eine IV-Anmeldung (Umschulung oder Rentenbezug) angezeigt?
- Welche weiteren Massnahmen können hinsichtlich der Wiedereingliederung der Patien-tin / des Patienten getroffen werden? (Unterschrift der Amtsstelle)
Erklärung:
Der/die Unterzeichnete entbindet den oben genannten Arzt / die oben genannte Ärztin aus-drücklich von der ärztlichen Schweigepflicht der Sozialbehörde ... gegenüber. (Unterschrift des Klienten/der Klientin)
Kontakt
Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe