Rückerstattung rechtmässig bezogener Leistungen wegen Eingang von rückwirkenden Leistungen

Kapitelnr.
15.2.02.
Publikationsdatum
25. Juni 2014

Rechtsgrundlagen

§ 27 Abs. 1 SHG

Erläuterungen

1.Allgemeines

Rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe kann nach § 27 Abs. 1 lit. a SHG ganz oder teil-weise zurückgefordert werden, wenn die Hilfe empfangende Person in den Genuss von rückwirkenden, sich auf die Unterstützungsperiode beziehenden Leistungen gelangt. Dabei kann es sich um Nachzahlungen von Sozialversicherungen, um weitere Sozialleistungen (z.B. Stipendien), um Leistungen von privaten Versicherern oder um Zahlungen von Drittper-sonen (wie z.B. Lohnnachzahlungen oder Alimente) handeln. Nicht zu den unter § 27 Abs. 1 lit. a SHG fallenden Leistungen gehören Pauschalentschädi-gungen von Versicherungen oder anderen Leistungspflichtigen. Vgl. dazu Kapitel 15.2.03. § 27 Abs. 1 lit. a SHG bildet die Grundlage von § 19 Abs. 2 SHG, wonach rückwirkende Leis-tungen von Sozial- oder Privatversicherungen sowie von haftpflichtigen oder anderen Dritten im rückerstattungspflichtigen Umfang direkt an die Sozialbehörde ausbezahlt werden können (vgl. Kapitel 6.2.06). Wurden solche Leistungen ausnahmsweise nicht der Sozialbehörde ab-getreten bzw. direkt an sie ausbezahlt, so kann gestützt auf § 27 Abs. 1 lit. a SHG eine Rückerstattung gefordert werden.

2.Zeitidentität

Nachträglich eingehende Leistungen dürfen nur dann zu einer Rückforderung von zuvor ausgerichteter Sozialhilfe führen, wenn sie sich auf denselben Zeitraum beziehen. Diese Zei-tidentität ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe. Beispiel: Eine Person wird vom 1. März 2011 bis zum 31. Dezember 2011 mit wirtschaftlicher Hilfe un-terstützt. Am 1. Februar 2012 erhält sie rückwirkend per 1. Februar 2011 eine IV-Rente zu-gesprochen. Von den rückwirkend eingehenden monatlichen Renten fallen diejenigen für die Monate März 2011 bis Dezember 2011 auf die Unterstützungsperiode. In diesem Umfang kann die Sozialbehörde eine Rückerstattung gestützt auf § 27 Abs. 1 lit. a. SHG verlangen.

3.Freibetrag

Personen, die nachträglich periodische Leistungen erhalten, sollen gleich behandelt werden wie Personen, die solche Leistungen rechtzeitig erhalten. Wer um Ausrichtung wirtschaftli-

cher Hilfe ersucht und in diesem Zeitpunkt bereits eine periodische Leistung (z.B. eine IV-Rente, Stipendien oder Unterhaltsbeiträge) erhält, dem wird die Leistung vollumfänglich als Einnahme angerechnet. Erhält eine Person erst später eine solche Leistung, so soll auch diese rückwirkend voll als Einnahme angerechnet werden. Wenn also eine rückwirkende Zahlung eingeht, so darf auf dieser kein Freibetrag gemäss SKOS-Richtlinien, Kapitel E.2.1 gewährt werden. Hingegen sind allfällige Überschüsse vermögensbildend. Ist also beispielsweise die von der IV gesprochene Eingliederungsrente höher als der nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen ermittelte monatliche Bedarf, kann mit der Differenz Vermögen gebildet werden, auf welchem ein Vermögensfreibetrag bei einer allfälligen Weiterführung der Unterstützung gewährt wer-den muss.

Rechtsprechung

VB.2012.00576: Nur weil die Versicherungsleistung für einen erlittenen Unfall als Pauschal-entschädigung ausgerichtet wurde, kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht die gesamte Summe als Vermögensanfall gemäss § 27 Abs. 1 lit. b SHG gelten. Derjenige Teil, der den Erwerbsausfall entschädigen soll, begründet nach § 27 Abs. 1 lit. a SHG nur ei-nen Rückforderungsanspruch, soweit er zeitlich kongruent zum Unterstützungszeitraum ist (E. 3.3). Um die Berechnung des Rückforderungsanspruchs vorzunehmen, ist die Versiche-rungsleistung sowohl sachlich als auch zeitlich aufzuteilen. VB.2012.00388 E.3.3: Der Rückerstattungsgrund gemäss § 27 Abs. 1 lit. a SHG setzt eine sachliche und zeitliche Kongruenz von wirtschaftlicher Hilfe und rückwirkender Renten- oder Entschädigungszahlungen voraus. Bei einer Schadenersatz-Zahlung für einen erlittenen Un-fall als Taxifahrer ist das Erfordernis der sachlichen Kongruenz dadurch gegeben, dass so-wohl Versicherungsleistung wie auch die wirtschaftliche Hilfe dem laufenden Lebensunterhalt des Empfängers dienen. Zeitliche Kongruenz ist aber nicht gegeben, wenn die Versicherung für eine zeitlebende Erwerbseinbusse entschädigt. Die Rückforderung berechnet sich an-teilsmässig nach der gesamten ab dem Unfall zu erwartenden Erwerbs- bzw. Lebenszeit. VB.2009.00251: Stipendien sind, unabhängig davon, ob im Voraus oder nachträglich ausbe-zahlt, in die Anspruchsberechtigung einer Familie einzubeziehen. Demnach können nach-träglich ausbezahlte Stipendien gestützt auf § 27 Abs. 1 lit. a SHG zurückgefordert werden. Eine solche Rückforderung kann auch dadurch erfolgen, dass die diesbezügliche Rücker-stattungsforderung der Sozialbehörde mit der laufenden Unterstützung verrechnet wird (E. 2.2). Soweit die streitbetroffenen Verrechnungen eine Rückerstattung darstellen, kann sich die Forderung auf § 27 Abs. 1 lit. a SHG stützen. Soweit es sich um eine laufende Verrech-nung handelt, kann sich diese auf den Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 2 SHG) stützen (E. 3.1). Der Grundsatz der zeitgleichen Anrechnung verlangt nicht, dass in al-len Fällen eine monatliche Gegenüberstellung von Sozialhilfeleistungen und von Drittleistun-gen erfolgen muss. Wenn im allein Streitgegenstand bildenden Zeitraum von Juli 2007 bis Juli 2008 die Stipendien für das Schuljahr 2007/2008 an den sozialhilferechtlichen Bedarf angerechnet worden sind, ist dies nicht rechtsverletzend (E. 3.3). VB.2007.00337: Der in § 27 Abs. 1 lit. a SHG umschriebene Rückerstattungstatbestand

strebt eine Gleichstellung an zwischen denjenigen Hilfeempfängern, die in den Genuss einer Nachzahlung für periodische Leistungen kommen, und denjenigen, welche die gleiche perio-dische Leistung rechtzeitig empfangen und sich diese bei der Bemessung der laufenden wirtschaftlichen Hilfe als Einkommen ebenfalls voll anrechnen lassen müssen (vgl. VGr, 30. Juni 2006, VB.2006.000223 E. 2.1; 27. März 2007, VB.20070021 E. 2; 31. Mai 2007, VB.2007.00124 E. 2.2, alle unter www.vgrzh.ch). Im vorliegenden Fall wird die Rückerstat-tungspflicht durch eine grundsätzlich voll zum anrechenbaren Einkommen zählende Er-werbsunfähigkeitsrente ausgelöst (vgl. SKOS-Richtlinien, Kap. E.1.2). Aus diesem Grund verbietet sich hier die Berücksichtigung eines Freibetrages bei der Bemessung des Rücker-stattungsumfanges von vornherein (E. 5.3). VB.2007.00021: E. 2: Der Rückerstattungsgrund von § 27 Abs. 1 lit. a SHG basiert einerseits auf dem in § 2 Abs. 2 SHG verankerten sozialhilferechtlichen Subsidiaritätsprinzip, wonach die wirtschaftliche Hilfe andere gesetzliche Leistungen sowie die Leistungen Dritter und sozi-aler Institutionen zu berücksichtigen hat. Da sowohl die wirtschaftliche Hilfe als auch die Sti-pendienleistungen zum Lebensunterhalt der unterstützten Person beitragen sollen (§ 15 SHG, § 27 der Stipendienverordnung vom 15. September 2004), dürfen beide Leistungsar-ten nicht in der Weise kumuliert werden, dass damit die gleichen Bedarfspositionen des glei-chen Zeitabschnitts doppelt gedeckt werden. Die Sozialhilfe ist gegenüber Stipendienleistun-gen subsidiär (Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe in der Fas-sung vom April 2005 [SKOS-Richtlinien], Kap. A.4; zu § 27 Abs. 1 SHG in der früheren Fas-sung vgl. auch RB 1999 Nr. 84). Zum anderen wird mit dem genannten Rückerstattungstat-bestand aber auch eine Gleichstellung angestrebt zwischen denjenigen Hilfeempfängern, die in den Genuss einer Nachzahlung für periodische Leistungen kommen, und denjenigen, wel-che die gleiche periodische Leistung rechtzeitig empfangen und sich diese bei der Bemes-sung der laufenden wirtschaftlichen Hilfe als Einkommen ebenfalls voll anrechnen lassen müssen (vgl. VB.2006.00223). VB.2006.00223: Nach § 27 Abs. 1 lit. a SHG kann rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hil-fe ganz oder teilweise zurückgefordert werden, wenn der Hilfeempfänger rückwirkend Leis-tungen von Sozial- oder Privatversicherungen oder von haftpflichtigen oder anderen Dritten erhält, entsprechend der Höhe der in der gleichen Zeitspanne ausgerichteten wirtschaftlichen Hilfe. Die der Beschwerdeführerin für die Zeit von Mai 2002 bis Mai 2003 zugegangenen Kinderunterhaltsbeiträge über insgesamt Fr. 19'500.-- sind Leistungen Dritter im Sinne dieser Bestimmung. Wegen der bundesrechtlichen Zweckbindung von Kinderunterhaltsbeiträgen muss sich die Beschwerdeführerin diese Leistungen allerdings nur soweit als Einkommen anrechnen lassen, als sie den tatsächlichen sozialhilferechtlichen Bedarf der Tochter de-cken. Dementsprechend sehen auch die SKOS-Richtlinien vor, dass die Einkünfte Minder-jähriger, die mit unterstützungsbedürftigen Eltern im gleichen Haushalt leben, im Gesamt-budget nur bis zur Höhe des auf diese Personen entfallenden Anteils anzurechnen sind (SKOS-Richtlinien, Kap. E.1.3). Soweit die Beschwerdeführerin die empfangenen Unter-haltsbeiträge aber darüber hinaus für die Tochter verwendet, sei es für nicht notwendige, das übliche Mass überschreitende Auslagen oder sei es zur Bildung von Kindsvermögen, fallen diese Anteile nicht unter die Rückerstattungspflicht, denn in diesem Umfang und für diese Ausgaben wurde effektiv gar keine wirtschaftliche Hilfe bezogen (E. 2.1).

Praxishilfen

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