Kostentragung für Insassen im Straf- und Massnahmenvollzug

Kapitelnr.
12.3.01.
Publikationsdatum
16. Januar 2024
Kapitel
12 Stationäre Massnahmen
Unterkapitel
12.3. Massnahmen im Justizvollzug
Gültig seit / In Kraft seit
1. Januar 2022

Rechtsgrundlagen

Erläuterungen

Das vorliegende Kapitel wurde in Zusammenarbeit mit Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich (JuWe) erstellt.

1.Allgemeines

Gemäss Art. 380 Abs. 1 StGB tragen die Kantone die Kosten des Straf- und Massnahmenvollzuges. Zuständig ist der für den Vollzug von Freiheitsstrafen und Massnahmen verantwortliche Kanton. Im Kanton Zürich zuständiges Amt ist Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe; § 14 StJVG in Verbindung mit § 5 JVV). JuWe betreibt unter anderem verschiedene Vollzugseinrichtungen und Untersuchungsgefängnisse im Kanton Zürich. Für den Vollzug von Freiheitsstrafen und stationären Massnahmen arbeitet der Kanton Zürich mit anderen Kantonen zusammen. In den Betrieben des JuWe gelangen neben der Justizvollzugsverordnung des Kantons Zürich, das Konkordat der ostschweizerischen Kantone über Vollzug von Strafen und Massnahmen (Ostschweizer Konkordat) sowie die Richtlinien der Ostschweizerischen Strafvollzugskommission zur Anwendung. (www.konkordate.ch)

2.Kostentragung

2.1Vollzugskosten

Die Vollzugskosten stehen in einem direkten Zusammenhang mit der ausgefällten strafrechtlichen Sanktion und dem Justizvollzug. Eine Aufzählung der unter die Vollzugskosten fallenden Aufwendungen findet sich in Ziffer 2.1 der Richtlinien der Ostschweizer Strafvollzugskommission betreffend die Kostenträger für Vollzugskosten und persönliche Auslagen vom 26.03.2021 (nachfolgend Richtlinien Persönliche Auslagen).  

Für die Vollzugskosten kommt der Urteilskanton auf (vgl. Ziffer 3.1 Abs. 1 Richtlinie Persönliche Auslage). Die verurteilte Person darf nur in den Fällen nach Art. 380 Abs. 2 StGB in angemessener Weise an den Kosten des Vollzugs beteiligt werden.

2.2Persönliche Auslagen

Die persönlichen Auslagen fallen unabhängig von der ausgefällten strafrechtlichen Sanktion an und stehen mit dieser bzw. dem Justizvollzug nicht in direktem, ursächlichen Zusammenhang. Eine Aufzählung der unter die persönlichen Auslagen fallenden Aufwendungen findet sich in Ziffer 2.2 der Richtlinien Persönliche Auslagen.
Die persönlichen Auslagen werden von der eingewiesenen bzw. verurteilten Person aus eigenen Mitteln und aus dem Arbeitsentgelt (Frei und Zweckkonto; vgl. nachfolgend Ziffer 3) gemäss den Richtlinien der Ostschweizerischen Strafvollzugskommission über das Arbeitsentgelt vom 23.10.2020 (nachfolgend Richtlinien Arbeitsentgelt) und Richtlinien Persönliche Auslagen finanziert.
Soweit der betroffenen Person die erforderlichen Mittel fehlen, um ihre persönlichen Auslagen rechtzeitig zu decken, erfolgt die Übernahme der Kosten nach Massgabe des geltenden kantonalen Sozialhilferechts (vgl. nachfolgend Ziffer 4). Nicht aus Mitteln der Sozialhilfe finanziert werden namentlich

  • Krankenversicherungsprämien (betr. Prämienübernahmen vgl. Kapitel 11.1.10)
  • Unterhaltszahlungen
  • Steuern
  • Mindestbeiträge an die AHV/IV
  • Lebensversicherungen der Säule 3b
  • Verfahrenskosten
  • Sachbeschädigungen
  • etc.

2.3Vorläufige Kostenübernahme

Solange nicht geklärt ist, ob ein anderer Kostenträger für persönliche Auslagen der eingewiesenen Person aufkommt, übernimmt die Vollzugseinrichtung bei zeitlicher Dringlichkeit die Kosten vorläufig (vgl. dazu Richtlinien Persönliche Auslagen Ziffer 5).

3.Aufteilung und Verwendung des Arbeitsentgelts

Vgl. dazu Richtlinien über das Arbeitsentgelt vom 23. Oktober 2020.

3.1Freikonto

Dem Freikonto werden 70% des Arbeitsentgelts gutgeschrieben.
Das Freikonto dient zur Deckung der persönlichen Auslagen wie z. B. Toilettenartikel, Zigaretten, Lebensmittel, TV, Telefon, Ausgang, etc. (betreffend Gesundheitskosten siehe Ziffer 3.2). Einschränkungen bei der Verwendung des Guthabens auf dem Freikontos zur Sicherstellung der Deckung der persönlichen Auslagen wie Telefon- oder Urlaubskosten liegen in der Kompetenz der Vollzugseinrichtung und sollen nur erfolgen, wenn die Deckung der persönlichen Auslagen zur Pflege des persönlichen Beziehungsnetzes oder von Unterhaltsbeiträgen sichergestellt werden soll.

Auslandüberweisungen können von der Vollzugseinrichtung untersagt werden.

3.2Zweckkonto

Dem Zweckkonto werden 15% des Arbeitsentgelts gutgeschrieben.
Das Zweckkonto dient der Sicherstellung von Kostenübernahmen oder –beteiligungen von AHV- Beiträgen und Gesundheitskosten (unter anderem Krankenkassenprämien, Franchise, Selbstbehalte, Spitalbeiträge, Zahnarztkosten, medizinische Hilfsmittel wie Brillen oder Hörgeräte).
Die eingewiesene Person kann nicht selber über das Zweckkonto verfügen. Die Leitung der Vollzugseinrichtung kann bei fehlender Mitwirkungspflicht die Bezahlung von Rechnungen direkt veranlassen, soweit die Kosten dem Verwendungszweck des Zweckkontos entsprechen (vgl. Richtlinien Arbeitsentgelt Ziffer 3.3 Abs. 3). Dabei orientiert sie sich am Grundsatz der Verhältnismässigkeit und an den SKOS-Richtlinien. Weist das Konto kein ausreichendes Guthaben aus für die Deckung aller daraus zu deckenden Kosten, werden zuerst die Mindestbeiträge an die AHV/IV finanziert.
Das Zweckkonto wird bis zu einem maximalen Betrag von Fr. 2000 geäufnet. Ist dieser Betrag erreicht, wird der Anteil am Arbeitsentgelt für das Zweckkonto dem Sparkonto (vgl. nachfolgend Ziffer 3.3) gutgeschrieben.

3.3Sparkonto

Dem Sparkonto werden 15% des Arbeitsentgelts gutgeschrieben.
Die Rücklage auf dem Sparkonto dient der Finanzierung der direkten Austrittsvorbereitungen und des Lebensunterhalts während der ersten Zeit nach Entlassung aus dem Vollzug. Sie ist während des Vollzugs unantastbar.
Auf Gesuch der betroffenen Person kann die Leitung der Vollzugseinrichtung Zahlungen ab diesem Konto bewilligen, wenn auf dem Konto ein Betrag von mindestens Fr. 3'100 verbleibt und ein direkter Bezug zur Zeit nach der (bedingten) Entlassung besteht (z.B. für Mietkautionen oder Anschaffung der notwendigen Grundausstattung für eine Wohnung) oder wenn die eingewiesene Person keine realistische Entlassungsperspektive hat, weil sie beispielsweise dauerhaft verwahrt ist.

3.4Wiedergutmachungskonto

Im Kanton Zürich erfolgen Einzahlungen auf das Wiedergutmachungskonto auf freiwilliger Basis.
Das Wiedergutmachungskonto dient der Finanzierung von Opferhilfeforderungen und Wiedergutmachungszahlungen. Die Zahlungen der verurteilten Person auf das Wiedergutmachungskonto erfolgen im Zusammenhang mit ihrer Auseinandersetzung mit dem Delikt und der Sensibilisierung für die finanziellen Auswirkungen einer Straftat. Fehlen direkte Opfer, können aus dem Wiedergutmachungskonto Zahlungen an gemeinnützige Institutionen geleistet werden. Die Kontrolle der Gemeinnützigkeit erfolgt durch die Vollzugseinrichtung.

4.Auswirkungen auf die Sozialhilfe

4.1Zuständigkeit

Die sozialhilferechtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach dem ZUG und dem kantonalen Sozialhilferecht (vgl. Kapitel 3). Die Richtlinien Persönliche Auslagen unterscheiden bei der Kostenübernahme zwischen Personen mit und ohne Wohnsitz in der Schweiz. Bei Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz erfolgt gemäss Ziffer 3.2 Abs. 1 lit. b der Richtlinien Persönliche Auslagen die Kostenübernahme subsidiär durch die einweisende Behörde oder eine andere im Einweisungskanton zuständige Stelle und nicht durch den Aufenthaltskanton bzw. die Aufenthaltsgemeinde.

4.2Antragstellung und Anspruchsprüfung

Antragstellung:

Verfügen die betroffenen Personen nicht über die erforderlichen Mittel zur Deckung der persönlichen Auslagen, so haben sie grundsätzlich Anspruch auf Sozialhilfeleistungen. Voraussetzung dafür ist, dass die betroffene Person bzw. die Anstaltsleitung (oder der Sozialdienst) in deren Vertretung beim zuständigen Sozialhilfeorgan um Ausrichtung von wirtschaftlicher Hilfe ersucht. Sind Leistungen Dritter sicherzustellen, muss vorgängig bzw. fristgemäss (schriftlich) eine Kostengutsprache eingereicht werden (§ 16a SHG sowie § 19 SHV und §§ 20 f. SHV; vgl. auch Kapitel 10). Die betroffene Person ist verpflichtet, bei den Abklärungen sowie bei der Einreichung von Gesuchen und Anträgen mitzuwirken. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, kann die Vollzugseinrichtung im Rahmen der besonderen Fürsorgepflicht für inhaftierte Personen die nötigen Anträge auch ohne ihre Einwilligung stellen (Richtlinien Persönliche Auslagen Ziffer 4.1 Abs. 2 lit. a).
Einem erstmaligen Gesuch um Unterstützung ist ein in der Regel von der betroffenen Person unterzeichneter Antrag beizulegen (vgl. Anhang). In diesem sind ihre genauen Personalien (inklusive Zivilstand und zivilrechtlicher Wohnsitz), ihre Einkommens- und Vermögenssituation sowie allfällige unterstützungspflichtige Verwandte anzugeben. Es müssen die Guthaben auf den verschiedenen Verwendungskonten des Arbeitsentgelts sowie sämtliche privaten Konten offengelegt werden. Mit der Unterzeichnung des Gesuchs bestätigt die verurteilte Person einerseits ihre Angaben, andererseits die Kenntnisnahme ihrer Pflichten gemäss § 18 SHG in Verbindung mit § 28 SHV und die Folgen falscher Auskunft. Dies gilt auch dann, wenn die Wohngemeinde lediglich um Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes ersucht wird, da auch hierfür die Prüfung der Bedürftigkeit notwendig ist (vgl. Kapitel 11.1.10, Ziffer 5).

Anspruchsprüfung:

Aus Mitteln der Sozialhilfe können nur Auslagen übernommen werden, die erforderlich und in ihrer Höhe angemessen bzw. möglichst gering sind. Ausserdem gilt das Subsidiaritätsprinzip (vgl. Kapitel 5.1.03) und die Bedürftigkeit muss ausgewiesen sein. Weitere Ausführungen zur Anspruchsprüfung finden sich in Kapitel 6.
Personen, die vom Bezug ordentlicher Sozialhilfe ausgeschlossen sind, haben nur Anspruch auf Notfallhilfe (vgl. Kapitel 5.3.02) bzw. Nothilfe (vgl. Kapitel 5.3.03).

Rechtsprechung

VB.2014.00199: Es bestehen gewisse Bedenken, ob sich das den Beschwerdegegner vertretende Amt für Justizvollzug nicht in einem Interessenkonflikt befindet. Das Verwaltungsgericht ist jedoch nicht dessen Aufsichtsbehörde und der Beschwerdegegner hat dessen Mitarbeiterinnen für das Rekurs- und das Beschwerdeverfahren gehörig und aus eigenem Willen bevollmächtigt. Zudem scheinen seitens des Beschwerdegegners bzw. seiner Beiständin keine Zweifel an einer ordnungsgemässen Vertretung zu bestehen (E. 2). Unter krankenversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten macht es keinen Unterschied, ob sich der Versicherte aufgrund ärztlicher oder richterlicher Anordnung in einem Spital bzw. einer Heilanstalt aufhält. Die Krankenversicherung hat grundsätzlich in beiden Fällen ihrer Leistungspflicht nachzukommen. Mit dem Spitalkostenbeitrag soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die vom Krankenversicherer zu deckenden Spitalkosten auch die reinen Aufenthalts- und Verpflegungskosten umfassen, die bei den Versicherten ebenso zu Hause anfallen würden, von diesen jedoch eingespart werden (E. 3.1). Das Psychiatrische Zentrum Rheinau ist organisatorisch in die PUK integriert und gehört nicht zu den Betrieben des Amts für Justizvollzug. § 111 JVV ist daher für die Beantwortung der Frage nach der Übernahme des Spitalkostenbeitrags in diesem Fall nicht massgebend. Gleiches gilt jedoch auch für § 81 Abs. 1 JVV. Diese Bestimmung regelt nur die Tragung der Kosten der ambulanten oder stationären Behandlung im Sinn der erbrachten medizinischen Leistungen, die vorliegend von der Krankenversicherung des Beschwerdegegners übernommen wurden. Dafür, dass auch der Spitalkostenbeitrag erfasst werden soll, bestehen dagegen keine Anzeichen (E. 5.1). Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung des Amts für Justizvollzug zur Bezahlung des Spitalkostenbeitrags. In Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität hat somit die Beschwerdeführerin diesen für den mittellosen Beschwerdegegner zu übernehmen (E. 5.2).

VB.2009.00412: Zur Gewährleistung der notwendigen Medikation braucht der Beschwerdeführer eine geordnete und kontrollierte (betreute) Wohnsituation (E. 2.3.1). In der infrage stehenden Institution führen ausschliesslich Dritte Therapien durch (E. 2.3.2). Die Auslagen für den Unterhalt und die Betreuung des Beschwerdeführers in dieser Institution sind somit nicht Teil der ambulanten Behandlung und stellen demnach keine Vollzugskosten im Sinne von Art. 380 StGB dar (E. 2.3.4). Wird ein Gesuch verspätet oder nachträglich eingereicht, hat dies somit nicht zwingend zur Folge, dass die gesuchstellende Person ihren Anspruch auf Sozialhilfeleistungen verwirkt. Vielmehr hat die Fürsorgebehörde die tatsächlichen Verhältnisse zu ermitteln und zu prüfen, ob eine situationsbedingte Leistung infrage steht, auf deren Übernahme die gesuchstellende Person einen Anspruch besitzt (RB 1999 Nr. 85; VB.2004.00019, E. 3.2; VB.2006.00146, E. 3).

VB.2006.00195: (Sozialhilferechtliche Beurteilung des Verdienstanteils eines Gefangenen (Pekulium): Das Pekulium bildet Vermögen; dementsprechend ist bei der Entlassung des Gefangenen ein Vermögensfreibetrag zu gewähren.)

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Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

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