Interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE)

Details

Kapitelnr.
12.1.03.
Publikationsdatum
2. Juli 2012
Kapitel
12 Stationäre Massnahmen
Unterkapitel
12.1. Massnahmen im Erwachsenenbereich

Rechtsgrundlagen

Beschluss des Regierungsrats zum Beitritt zur Interkantonalen Vereinbarung für soziale Ein-richtungen vom (IVSE) vom 14. November 2007, LS 851.5

Erläuterungen

1.Allgemeines

Die IVSE ist ein interkantonales Konkordat, das die Situation von Personen regelt, die aus-serhalb ihres Kantons besondere Pflege oder institutionelle Betreuung in Anspruch nehmen müssen. Mit dem Abschluss der IVSE wird eine enge interkantonale Zusammenarbeit im Be-reich der sozialen Einrichtungen angestrebt. Soziale Einrichtungen sollen Kindern, Jugendli-chen und Erwachsenen mit Wohnsitz in einem anderen Kanton ohne Erschwernisse offen stehen. Die hierfür notwendige Angebotsoffenheit wird dadurch gewährleistet, dass die IVSE die Kostenübernahme zwischen den Kantonen auf der Grundlage einheitlicher Berech-nungsgrundlagen sichert.

2.Geltungsbereich

Die IVSE bezieht sich auf Einrichtungen der folgenden Bereiche (Art. 2 IVSE): Bereich A: Hierunter fallen stationäre Einrichtungen, die gestützt auf eidgenössisches oder kantonales Recht Personen bis zum vollendeten 20. Altersjahr, längstens jedoch bis nach Abschluss der Erstausbildung beherbergen, sofern sie vor Erreichen der Volljährigkeit in eine Einrichtung eingetreten oder dort untergebracht worden sind. Im Fall von Massnahmen gemäss dem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 20. Juni 2003 (Jugendstrafgesetz, (JStG), SR 311.1) liegt die Altersgrenze unabhängig vom Ein-trittsalter beim vollendeten 22. Altersjahr. Zu beachten ist hier, dass Einrichtungen, welche einem Konkordat über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (Straf-und Massnahmen-vollzugskonkordate) unterstellt sind, nicht zum Bereich A gehören. Sie fallen generell nicht unter den Geltungsbereich der IVSE. Bereich B: Zum Bereich B gehören Einrichtungen für erwachsene, invalide Personen oder Einheiten solcher Einrichtungen gemäss dem Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG, SR 831.26), d.h.:

  • Werkstätten, die dauernd intern oder an dezentral ausgelagerten Arbeitsplätzen invalide Personen beschäftigen, die unter üblichen Bedingungen keine Erwerbstätigkeit ausüben können,
  • Wohnheime und andere betreute kollektive Wohnformen für invalide Personen,
  • Tagesstätten, in denen invalide Personen Gemeinschaft pflegen und an Freizeit- und Beschäftigungsprogrammen teilnehmen können. Einheiten von Einrichtungen, welche die gleichen Leistungen wie die Einrichtungen gemäss Buchstaben a bis c erfüllen, sind gleichgestellt. Bereich C: Der Bereich C umfasst stationäre Therapie- und Rehabilitationsangebote im Suchtbereich. Bereich D: Zum Bereich D gehören Einrichtungen der externen Sonderschulung:
  • Sonderschulen für Unterricht, Beratung und Unterstützung inklusive integrativer Sonder-schulung sowie für die Tagesbetreuung, sofern diese Leistung von der Einrichtung er-bracht wird;
  • Früherziehungsdienste für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder;
  • Pädagogisch-therapeutische Dienste für Logopädie oder Psychomotoriktherapie, sofern diese Leistungen nicht innerhalb des Regelschulangebotes erbracht werden. Sonderschuleinrichtungen, die eine eigene Schule (Externat) und ein Internat führen, können für den Sonderschulunterricht, der von externen Schülerinnen und Schülern besucht wird, dem Bereich D und für das stationäre Angebot (interne Schüler und Schülerinnen) dem Be-reich A unterstellt werden. Stationäre Einrichtungen der Sonderschulung mit eigener Schule, die vorwiegend Schülerinnen und Schüler im Internat aufnehmen, werden dem Bereich A un-terstellt. Nicht unter die IVSE fallen:
  • Einrichtungen, die einem Konkordat über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (Straf-und Massnahmenvollzugskonkordate) unterstellt sind,
  • Einrichtungen für Betagte sowie medizinisch geleitete Einrichtungen,
  • Einrichtungen, soweit sie Leistungen zur beruflichen Eingliederung im Sinne der Best-immungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 (IVG, SR 831.20) erbringen. Die Kantone können einzelnen, mehreren oder allen Bereichen beitreten (vgl. Liste der bei-getretenen Kantone Stand 18. November 2009). Der Kanton Zürich ist mit Beschluss des Regierungsrates vom 14. November 2007 per 1. Januar 2008 allen vier Bereichen der IVSE beigetreten.

3.Einrichtungen

Der Standortkanton bezeichnet die Einrichtungen in seiner Zuständigkeit, welche er der IVSE zu unterstellen beabsichtigt, teilt sie den entsprechenden Bereichen (vgl. vorstehend Ziff. 2)

zu, bezeichnet die von der Einrichtung angewandte Methode der Leistungsabgeltung (vgl. nachstehend Ziff. 6) und meldet diese Angaben dem Zentralsekretariat der Sozialdirektoren-konferenz (SODK). Das Zentralsekretariat der SODK führt eine Liste der Einrichtungen be-ziehungsweise derjenigen Abteilungen, welche der IVSE unterstellt sind. Es führt die Liste nach Bereichen und nach Methoden der Leistungsabgeltung. Fallen nicht alle Abteilungen einer Einrichtung unter die IVSE, so bezeichnet der Standortkanton ausdrücklich jene Abtei-lungen, auf welche die IVSE Anwendung finden soll.

4.Verbindungsstellen

Jeder Vereinbarungskanton bezeichnet eine Verbindungsstelle. Diese sind gemäss Art. 11 IVSE zuständig für:

  • das Einholen der Kostenübernahmegarantie,
  • die Entgegennahme und Bearbeitung von Gesuchen um Kostenübernahmegarantie und den Entscheid über dieselben,
  • die Koordination der Information und der Geschäftsbearbeitung mit Verwaltungen sowie Einrichtungen und deren Vertretungen innerhalb des Kantons,
  • den Informationsaustausch und die Geschäftsbearbeitung mit Verbindungsstellen ande-rer Vereinbarungskantone,
  • die Führung eines Registers über die erteilten Kostenübernahmegarantien. Im Kanton Zürich nimmt das Kantonale Sozialamt die Aufgaben der Verbindungsstelle wahr, wobei Gesuche um Kostenübernahmegarantie aus dem Bereich A und D vom Amt für Ju-gend und Berufsberatung (AJB) bearbeitet werden.

5.Kostenübernahmegarantie

5.1. Zuständigkeit Die Zuständigkeit zur Leistung einer Kostenübernahmegarantie liegt grundsätzlich beim Wohnkanton, d.h. bei dem Kanton, in dem die Person, welche die Leistungen beansprucht, ihren zivilrechtlichen Wohnsitz hat (vgl. Art. 4 lit. d IVSE). Wechselt der zivilrechtliche Wohn-sitz der betreffenden Person, findet grundsätzlich auch ein Zuständigkeitswechsel des pflich-tigen Kantons statt. In solchen Fällen muss ein neues Gesuch um Kostenübernahmegarantie eingereicht werden, über welches der neue Wohnkanton zu entscheiden hat (vgl. hierzu nachfolgend Ziff. 5.2). Spezielle Zuständigkeitsregelung bestehen dabei in den Bereichen B und D: Bereich B: Nach Art. 5 Abs. 1 IVSE bewirkt der Aufenthalt in einer Einrichtung gemäss Art. 2 Absatz 1 Bereich B lit. b (Wohnheime und andere betreute kollektive Wohnformen für invalide Perso-nen) keine Änderung der bisherigen Zuständigkeit für das Leisten der Kostenübernahmega-rantie. Das bedeutet, dass der bisherige zivilrechtliche Wohnkanton für die Kostenübernah-

megarantie zuständig bleibt, auch wenn die Person während ihres Aufenthaltes in der Ein-richtung ihren zivilrechtlichen Wohnsitz (sei dies an den Standort der Einrichtung, sei dies an einen anderen Ort) verlegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die betreffende Person ihren zivil-rechtlichen Wohnsitz selbständig wechseln kann oder ob sich ihr zivilrechtlicher Wohnsitz von anderen ableitet, wie dies z.B. bei Bevormundeten und Volljährigen unter erstreckter el-terlicher Sorge der Fall ist (so genannte unselbständige Wohnsitzverlegung; vgl. Art. 25 ZGB). Gemäss Empfehlung des Vorstandes der Vereinbarungskonferenz IVSE an die Mitgliedskan-tone der IVSE vom 18. Dezember 2009 (vgl. auch die Anlage mit Beispielen) ist Art. 5 Abs. 1 IVSE so anzuwenden, dass nicht nur selbständige Wohnsitzverlegungen an den Standort des Heimes, sondern auch unselbständige Wohnsitzverlegungen und selbständige Wohn-sitzverlegungen an einen anderen als den Standort des Heimes keine Änderung der IVSE-Zuständigkeit bewirken. Dies gilt jedenfalls ab dem 1. Januar 2008. Da bis Ende 2007 eine andere Praxis bezüglich der Beurteilung der unselbständigen Wohnsitzverlegung und der selbständigen Wohnsitzverlegung an einen anderen als den Standort des Heimes bestand, begründen die vom Heimeintritt bis zum 31. Dezember 2007 erfolgten unselbständigen und selbständigen Wohnsitzverlegungen an einen anderen als den Standort des Heimes einen IVSE-Zuständigkeitswechsel. Die bis zum 31. Dezember 2007 erfolgten unselbständigen und selbständigen Wohnsitzverlegungen an den Standort des Heimes begründen keinen IVSE-Zuständigkeitswechsel. Bereich D: Für Vergütungen von Leistungen der externen Sonderschulung hat derjenige Kanton die Kostenübernahmegarantie zu leisten, in dem sich der Schüler oder die Schülerin aufhält (Art. 5 Abs. 2 IVSE). Im Unterschied zum Aufenthalt und Schulbesuch in stationären Einrich-tungen mit eigener Schule (Schulheime), bei denen der generelle IVSE-Grundsatz des zivil-rechtlichen Wohnsitzes gemäss Art. 4 IVSE gilt, richtet sich im Bereich der externen Sonder-schulung die Zuständigkeit nach dem Aufenthaltsort. 5.2. Verfahren Vor der Unterbringung bzw. vor dem Eintritt der Person reicht die Einrichtung bei der Verbin-dungsstelle des Standortkantons ein Gesuch um Kostenübernahmegarantie ein. Ist die vor-gängige Einreichung wegen zeitlicher Dringlichkeit nicht möglich, ist dies so rasch als mög-lich nachzuholen. Die Verbindungsstelle des Standortkantons leitet das Gesuch um Kostenübernahmegarantie der Verbindungsstelle des zivilrechtlichen Wohnkantons der Person (bzw. des Aufenthalts-kantons in Fällen des Bereichs D) weiter, welche das Gesuch prüft und darüber entscheidet. Die Kostenübernahmegarantie kann befristet und mit Auflagen versehen sein. Unbefristete Kostenübernahmegarantien können mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden (Art. 27 IVSE). Bei einem Wechsel der Zuständigkeit hat die Einrichtung der IVSE-Verbindungstelle des Standortkantons ein neues Gesuch um Kostenübernahmegarantie einzureichen. Diese leitet das Gesuch dem neu zuständigen Kanton weiter, welcher über das Gesuch zu befinden hat.

6.Leistungsabgeltung

Die Leistungsabgeltung ist in den Art. 20 ff. IVSE geregelt. Die Leistungsabgeltung kann so-wohl durch Methode D (Defizitdeckung) als auch durch Methode P (Pauschalen) erfolgen. Besteht zwischen dem Standortkanton und seiner Einrichtung keine Abmachung bezüglich der Methode P, so kommt die Methode D zur Anwendung (Art. 23 IVSE). Die Einrichtung des Standortkantons kann den zahlungspflichtigen Stellen und Personen monatlich Rechnung stellen. Die Rechnungen sind innert 30 Tagen nach Eingang zu bezah-len. Bei Inkassoproblemen leistet der Wohnkanton Hilfe (Art. 25 IVSE). Bezüglich der Kostenbeteiligungen bestehen je nach Bereich unterschiedliche Regelungen: Bereich A: Im Bereich A haben die Unterhaltspflichtigen einen Beitrag zu leisten, welcher den mittleren Tagesaufwendungen für Kost und Logis für eine Person in einfachen Verhältnissen ent-spricht (Art. 22 IVSE). Ausgegangen wird hier von einem Betrag zwischen Fr. 25.-- und Fr. 30.-- pro Tag (vgl. Kommentar zur IVSE, S. 12 f.). Von Unterhaltspflichtigen nicht geleis-tete Beiträge können der Sozialhilfe belastet werden (Art. 22 Abs. 2 IVSE; vgl. Kapitel 12.2.03). Bereich B: Erwachsene invalide Personen in Einrichtungen gemäss Art. 2 Absatz 1 Bereich B lit. b und lit. c (Wohnheime und andere betreute kollektive Wohnformen für invalide Personen sowie Tagesstätten) tragen die Kosten der Leistungsabgeltung teilweise oder vollständig aus ihrem Einkommen und aus Anteilen des Vermögens. Die Berechnung der Kostenbeteiligung erfolgt nach den im Wohnkanton geltenden Regeln (Art. 28 IVSE). Die Kostenbeteiligung wird von der Einrichtung bei der Person oder deren gesetzlichen Ver-tretung aufgrund der Kostenübernahmegarantie des Wohnkantons eingefordert. Verbleibt nach Abzug der Kostenbeteiligung von der Leistungsabgeltung ein ungedeckter Betrag, so gilt der Wohnkanton diesen der Einrichtung ab (Art. 29 IVSE). Bereich C: Betreffend Kostenbeteiligung der die Leistung beanspruchenden Person ist massgeblich, wie im Wohnkanton Anspruchsberechtigung, Finanzierung und Zuständigkeit für Aufenthalte von Personen in stationären Therapie- und Rehabilitationsangeboten im Suchtbereich auf Geset-zes-, Verordnungs- und Verwaltungsstufe geregelt sind, zum Beispiel die Frage der Finan-zierung über die Sozialhilfe oder über kommunale oder kantonale Beiträge mit eigener ge-setzlicher Grundlage (für die Regelung im Kanton Zürich vgl. Kapitel 12.1.02). Bereich D: Im Bereich D sieht die IVSE keine individuelle Kostenbeteiligung vor.

Rechtsprechung

Praxishilfen

Weitere Informationen, Richtlinien und Wegleitungen finden sich unter www.ivse.ch. Formular KÜG für Einrichtungen der Bereiche A und D Formular KÜG für Einrichtungen des Bereichs B Formular KÜG für Einrichtungen des Bereichs C

Anhänge

- Tabelle für massgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der IVSE-Zuständigkeit (Stand 16. März 2010)

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


Für dieses Thema zuständig: