Verfassungsgrundsätze des Verwaltungsrechts
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Rechtsgrundlagen
Erläuterungen
Zu den Verfassungsgrundsätzen des Verwaltungsrechts gehören: 1. Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit 2. Der Grundsatz des öffentlichen Interesses 3. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit 4. Der Grundsatz von Treu und Glauben 5. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit und das Willkürverbot
1.Gesetzmässigkeit
Das Gesetzmässigkeitsprinzip bedeutet, dass die Verwaltung nur aufgrund und im Rahmen einer gültigen gesetzlichen Grundlage handeln darf. Notwendig ist eine Regelung, die sich an eine unbestimmte Zahl von Adressaten richtet und eine unbestimmte Zahl von Fällen er-fasst und welche Rechte und Pflichten der Bürger bzw. die Bürgerin begründet oder die Or-ganisation, Zuständigkeit oder Aufgaben der Behörden oder das Verfahren regelt. Der Rechtssatz muss genügend bestimmt sein. Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung erfüllt rechtsstaatliche und demokrati-sche Funktionen: a. Gewährleistung von Rechtssicherheit, also der Voraussehbarkeit des Verwaltungshan-delns. b. Gewährleistung von Rechtsgleichheit, also des willkürfreien Handelns der Verwaltungs-behörden. c. Schutz der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger vor staatlichen Eingriffen, indem verfas-sungsmässige Rechte nur eingeschränkt werden können, wenn eine gesetzliche Grund-lage dies zulässt. d. Demokratische Legitimation des Verwaltungshandelns, indem es sich auf eine nach de-mokratischen Prinzipien erlassene rechtliche Grundlage stützt. 1.1. Ermessen Zwar verlangt das Gesetzmässigkeitsprinzip, dass sich das Verwaltungshandeln auf eine
gesetzliche Grundlage stützt. Jedoch kann der Gesetzgeber nicht für alle Fragen, die sich künftig stellen können, konkrete Regelungen treffen. Es braucht deshalb so genannt offene Normen, die den Behörden ein Ermessen einräumen oder unbestimmte Rechtsbegriffe ent-halten. Ermessen ist ein Entscheidungsspielraum der Verwaltungsbehörden, ein Freiraum also, den der Gesetzgeber den Verwaltungsbehörden gewährt. Diese müssen bei der Ermessensaus-übung folgende Schranken beachten: 1.2. Ermessensfehler:
Unangemessenheit:
Ein Entscheid ist unangemessen, wenn er zwar innerhalb des Ermessensspielraums liegt, aber das Ermessen nicht richtig, also unzweckmässig gehandhabt wurde. Eine Rechtsverlet-zung liegt nicht vor.
Ermessensmissbrauch:
Das Ermessen wird dann missbräuchlich ausgeübt, wenn zwar Voraussetzungen und Schranken des Ermessensrahmens beachtet werden, jedoch unmassgebliche Gesichtspunk-te bei der Entscheidung mit einbezogen werden und die Ermessensausübung somit willkür-lich und rechtsungleich ist. Beispiel: Eine Frau wird aufgefordert, eine Ein-Zimmer-Wohnung zu suchen, weil sie mit ei-ner Körpergrösse von 160 cm nicht so viel Platz benötigt.
Ermessensüberschreitung:
Die Behörde übt Ermessen aus, obwohl ihr der anzuwendende Rechtssatz kein Ermessen einräumt. Ermessensüberschreitung liegt auch vor, wenn die Behörde eine Massnahme trifft, die ihr gar nicht zur Wahl stand. Beispiel: Die Behörde entscheidet, dass nach sechs Monaten Bezugsdauer die Sozialhilfe grundsätzlich (also bei allen Personen) um 15 % gekürzt wird.
Ermessensunterschreitung:
Obwohl die Rechtsnorm eine Ermessensausübung zulässt, verzichtet die Behörde zum Vor-neherein ganz oder teilweise darauf. Beispiel: Eine gemeindeinterne Weisung besagt, dass infolge Finanzkrise keine situations-bedingten Leistungen mehr ausgerichtet werden. 1.3. Rechtliche Beurteilung von Ermessensfehlern in der Sozialhilfe
Durch den Bezirksrat:
Der Bezirksrat kann den Entscheid der Sozialbehörden auf alle Ermessensfehler hin über-prüfen. Er ist nicht auf die blosse Rechtskontrolle beschränkt. Er darf also einen Entscheid auch wegen Unangemessenheit aufheben.
Durch das Verwaltungsgericht:
Dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nur Rechtskontrolle gestattet, nicht aber Ermes-
senskontrolle. Es ist ihm daher verwehrt, die Ermessensausübung der Behörde zu überprü-fen. Es darf einen Entscheid wegen blosser Unangemessenheit nicht aufheben. Liegen al-lerdings qualifizierte Ermessensfehler (Ermessensmissbrauch, -überschreitung oder -unterschreitung) vor, muss es den Entscheid aufheben.
2.Öffentliches Interesse
Das öffentliche Interesse ist die allgemeine Voraussetzung für jede staatliche Tätigkeit. Der Staat hat das Wohl der Allgemeinheit zu schützen und zu fördern und die Anliegen der staat-lichen Gemeinschaft wahrzunehmen. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Auslegung der zuständigen Behörde ein gewisser Beurteilungsspielraum zu-kommt. Das Vorliegen eines bestimmten öffentlichen Interesses allein rechtfertigt staatliches Handeln noch nicht: Das öffentliche Interesse muss die allenfalls entgegenstehenden (öffent-lichen oder privaten) Interessen auch überwiegen.
3.Verhältnismässigkeit
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit erfordert, dass Verwaltungsmassnahmen ein geeig-netes und notwendiges Mittel darstellen, um das zu verwirklichende Ziel zu erreichen, und dass sie in einem vernünftigen Verhältnis zu den Freiheitsbeschränkungen stehen, die dem Bürger auferlegt werden. Ausserdem müssen Verwaltungsmassnahmen in einem öffentli-chen Interesse liegen. Drei Elemente müssen kumulativ erfüllt sein, damit der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt ist: Die Massnahme muss
- geeignet und
- erforderlich sein und
- es muss ein gegenüber den privaten Interessen überwiegendes öffentliches Interesse daran bestehen. 3.1. Eignung der Massnahme Die Massnahme muss geeignet sein, das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel zu errei-chen. Ungeeignet ist eine Anordnung, wenn sie mit Blick auf das angestrebte Ziel gar keine Wirkungen entfaltet und erst recht dann, wenn sie die Erreichung des Ziels erschwert oder gar verunmöglicht. 3.2. Erforderlichkeit der Massnahme Die Massnahme muss in personeller, sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht erforder-lich sein:
- eine ebenso geeignete, aber mildere Massnahme darf nicht auch zur Verwirklichung des
öffentlichen Interesses führen,
- die Anordnung darf in Bezug auf ihren räumlich-örtlichen Geltungsbereich nicht weiter-gehen, als unbedingt erforderlich,
- die Anordnung darf nicht länger dauern, als dies für die Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist,
- generelle Einschränkungen, die alle treffen, sind unzulässig, wenn die verfolgten Ziele durch individuelle Verbote oder Beschränkungen, die beim Vorliegen einer konkreten Gefährdung angeordnet werden, auch erreicht werden können. 3.3. Abwägung von öffentlichen und betroffenen privaten Interessen Zwischen dem angestrebten Ziel (Eingriffszweck) und dem Eingriff, den die Massnahme für die betroffenen Privaten zur Folge hat (Eingriffswirkung), muss ein vernünftiges Verhältnis bestehen. Die Massnahme muss durch ein das private Interesse überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein.
4.Grundsatz von Treu und Glauben
Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet ein loyales und vertrauenswürdiges Verhalten im Rechtsverkehr. Für den Bereich des öffentlichen Rechts bedeutet er, dass die Behörden und die Privaten in ihren Rechtsbeziehungen gegenseitig aufeinander Rücksicht zu nehmen haben. Dem Grundsatz von Treu und Glauben werden im Verwaltungsrecht insbesondere der Vertrauensschutz, das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens sowie das Verbot des Rechtsmissbrauchs zugeordnet. 4.1. Vertrauensschutz Der Grundsatz des Vertrauensschutzes bedeutet, dass der Bürger Anspruch darauf hat, in seinem berechtigten Vertrauen in behördliche Zusicherungen oder in anderes, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden geschützt zu werden. Es wird das indi-viduelle Vertrauen einzelner Bürger in eine konkrete Rechtslage geschützt. 4.2. Verbot widersprüchlichen Verhaltens Das Verbot bindet sowohl Behörden als auch Private:
- Behörden dürfen von einem Standpunkt, den sie in einer bestimmten Angelegenheit einmal eingenommen haben, nicht ohne sachlichen Grund abweichen. Haben sich die Privaten auf ein bestimmtes Verhalten der Behörden eingestellt und auf dessen Richtig-keit und Beständigkeit vertrauen dürfen, können zugleich die Grundsätze des Vertrau-ensschutzes berührt sein.
- Private dürfen sich im Verkehr mit Verwaltungsbehörden ebenfalls nicht widersprüchlich
verhalten. Widersprüchliches Verhalten bleibt ohne rechtlichen Schutz. 4.3. Verbot des Rechtsmissbrauchs Das Verbot bindet sowohl Behörden als auch Private. Das Verhalten ist dann rechtsmiss-bräuchlich, wenn die Inanspruchnahme eines Rechts zu einem stossenden, vom Gesetzge-ber nicht gewollten Ergebnis führt.
5.Rechtgleichheit und Willkürverbot
5.1. Gleichbehandlungsgebot Der Anspruch auf Gleichbehandlung verlangt, dass Rechte und Pflichten der Betroffenen nach dem gleichen Massstab festgesetzt werden. Gleiches ist nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Es wird also nicht eine absolute Gleichbehandlung verlangt, sondern es muss sachlich diffe-renziert werden, worin die Gleichheit oder die Ungleichheit besteht. Das Rechtsgleichheits-gebot verbietet zum einen unterschiedliche Regelungen, denen keine rechtlich erheblichen Unterscheidungen zugrunde liegen. Zum anderen verbietet es aber auch eine rechtliche Gleichbehandlung von Fällen, die sich tatsächlich unterscheiden. Das Gleichbehandlungsgebot setzt nicht voraus, dass identische Sachverhalte vorliegen, sondern nur, dass die im Hinblick auf die zu erlassende oder anzuwendende Norm wesentli-chen Tatsachen gleich sind. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Der Umstand, dass ein Gesetz in einem Fall nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, gibt keinen An-spruch darauf, dass in einem anderen Fall ebenfalls abweichend vom Gesetz entschieden wird. 5.2. Willkürverbot Willkür meint grobe, qualifizierte Unrichtigkeit: Willkür bedeutet Entscheiden nach Belieben, ohne Ausrichtung an einem Massstab, an allgemeingültigen Gerechtigkeitsvorstellungen. Ein Willkürakt verletzt elementare Gerechtigkeitserwartungen und entzieht sich jeder vernünfti-gen Begründung. Willkürliche Rechtsanwendung wird in folgenden Fällen angenommen:
- bei offensichtlicher Gesetzesverletzung,
- bei offensichtlicher Missachtung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes oder des tragen-den Grundgedankens eines Gesetzes,
- bei groben Ermessensfehlern,
- wenn ein Entscheid an einem inneren, nicht auflösbaren Widerspruch leidet,
- im Falle eines stossenden Widerspruchs zum Gerechtigkeitsgedanken.
Rechtsprechung
Praxishilfen
Kontakt
Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe