Wirtschaftsstandort auf dem Prüfstand: Zürichs Potenzial ist gross

Zuhörende lauschen den Erklärungen von Podiumsteilnehmenden

Wie attraktiv ist der Kanton Zürich als Wirtschaftsstandort? Das diskutierten Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung am «Tag des Standorts». Sie waren sich einig: Vieles läuft sehr gut. An Ideen, was der Kanton noch besser machen könnte, mangelte es indes nicht.

Im Januar 2024 veröffentlichte das kantonale Amt für Wirtschaft (AWI) die Studie «Die Standortattraktivität des Kantons Zürich im Vergleich». Darin misst sich der Wirtschaftsplatz Zürich mit den fünf «Konkurrenten» München, Stockholm, Amsterdam, Dublin und London. Nun war es an der Zeit, die Studienbefunde mit möglichst vielen, möglichst gewichtigen Akteuren aus Industrie, Forschung, Verwaltung und Politik zu besprechen – am ersten «Tag des Standorts».

Fabian Streiff, der Chef des Amts für Wirtschaft, erläuterte eingangs, wie gut der Kanton Zürich im internationalen Vergleich abschneidet. Sein Anspruch ist jedoch, «nicht nur täglich besser zu werden als die Konkurrenz, sondern auch besser zu werden als wir selbst tags zuvor.» Der Wirtschaftsstandort Zürich hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem attraktiven Standort für innovative und technologiegetriebene Unternehmen entwickelt, so Streiff. Gleichzeitig räumte er ein: «Punkto Kostenumfeld hinken wir anderen Standorten hinterher.»

Inländisches Potenzial nutzen

Dem Amt für Wirtschaft war es nicht bloss ein Anliegen, Zürich mit fünf ausländischen Städten zu vergleichen, sondern auch deren Sichtweise anzuhören. So war mit Christoph Haider ein Gast aus München zugegen – einer Stadt, die etwa bei der Rekrutierung von Fachkräften grössere Mühe hat als Zürich. «Wegen der alternden Bevölkerung sind wir deutschlandweit auf Zuwanderung angewiesen», sagte der Leiter Standortmarketing München.

Dialog fördern, Visionen erarbeiten

Der erste «Tag des Standorts» fand am 31. Januar 2024 in Zürich statt. Er wurde vom Amt für Wirtschaft (AWI) der Volkswirtschaftsdirektion organisiert. Bedeutende Zürcher Akteure aus der Industrie, dem Gesundheitsbereich, der Forschung sowie der Politik diskutierten dabei Entwicklungsthemen gemeinsam mit dem Zürcher Regierungsrat. Ziel der Veranstaltung war es, den Dialog zu fördern, Visionen und Aktionen für den Wirtschaftsstandort Zürich zu erarbeiten und Impulse zum Nutzen aller zu setzen.

AWI-Amtsleiter Fabian Streiff hielt fest: «Der Fachkräftemangel ist hier genauso real.» Weil auch andere europäische Staaten bewusst im Ausland rekrutieren, müsse inländisches Potenzial möglichst gut eingesetzt werden. Überhaupt wurde der Fachkräftemangel intensiv diskutiert: Bei der folgenden Podiumsdiskussion zur Frage, wie der Wirtschafts- und Innovationsstandort Zürich weiterhin attraktiv bleiben soll, war er eines der Hauptthemen. Dazu fasste Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh pointiert zusammen: «Wer arbeiten will, den muss man arbeiten lassen!»

Soll der Staat Start-ups unterstützen?

Podiumsteilnehmer Marc von Waldkirch, CEO von Sensorenhersteller Sensirion, nahm besonders die Politik in die Pflicht, um die Personalnot einzudämmen: «Wenn ein Antrag für eine Arbeitsbewilligung drei Monate dauert, dann ist das zu lange.» Ausländische Fachkräfte würden nicht warten, sondern in anderen Ländern anheuern. Bloss: Kann es denn schneller gehen? Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker hegte gewisse Zweifel: «Ich denke, anderswo dauert alles noch länger.»

Fünf Personen sitzen auf einem Stuhl und diskutieren miteinander. Zu sehen ist eine Tafel mit der Aufschrift «Wie bleibt der Wirtschafts- und Innovationstandort Zürich weiterhin attraktiv?»
Wie bleibt der Wirtschafts- und Innovationsstandort Zürich weiterhin attraktiv? Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh und Finanzdirektor Ernst Stocker nahmen gemeinsam mit weiteren Podiumsteilnehmenden zu dieser Frage Stellung. Quelle: Tim Love Weber

Ein weiteres breit diskutiertes Thema war die Unterstützung von Start-ups. Der gemeinnützige Verein SICTIC wurde eigens dafür gegründet. Deren Präsident Thomas Dübendorfer wünscht sich mehr staatliche Unterstützung: «Sobald Start-ups richtig durchstarten könnten, fehlt das Geld – oder es kommt aus dem Ausland.» Sensirion-CEO von Waldkirch warnte hingegen vor zu viel Support vom Staat: «Damit sind auch Regulierungen verbunden.»

Gesundheitssystem muss digitaler werden

Die zweite Podiumsdiskussion drehte sich um den Gesundheitsstandort Zürich. Erneut wurde die Rolle der öffentlichen Hand besprochen: «Der Kanton Zürich bietet grundsätzliche beste Rahmenbedingungen für eine gute Grundversorgung», sagte etwa Felix Huber, der Präsident der Ärztevereinigung MediX. «Doch vom Bund kommen immer mehr Regulierungen. Und viele davon sind gar nicht umsetzbar.»

Dem stimmte auch Mazda Farshad zu. Der medizinische Spitaldirektor der Universitätsklinik Balgrist vertrat die Meinung, dass die Regulierungen ein Stück weit gar den Personalmangel befeuern. Sein Credo: «Mehr Innovation und weniger Regulation.» Alles andere würde ausländische Fachkräfte eher davon abschrecken, hierzulande zu arbeiten – genauso wie fehlende digitale Prozesse, betonte Monika Jänicke, CEO des Universitätsspitals Zürich: «Diese könnten die Mitarbeitenden massgeblich entlasten.»

Fünf Personen sitzen auf einem Stuhl und diskutieren miteinander
Eines der zwei Panels widmete sich dem Medizinstandort Zürich. Quelle: Tim Love Weber

Welche Chancen bietet die Künstliche Intelligenz?

Auch Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli will die Digitalisierung des Gesundheitssystems vorantreiben. Der Kanton Zürich habe diesbezüglich noch viel Arbeit vor sich: «Das elektronische Patientendossier mit digitalen Schnittstellen muss zur Norm für die datenschutzkonforme Ablage und den effizienten Austausch von Patienteninformationen werden.» Zu oft würden Ärzte viel Zeit damit vergeuden, für einen einzelnen Patienten zwischen etlichen Praxen herumzutelefonieren, ergänzt Huber. «Wirkt man dem entgegen, verbessert dies auch die Personalsituation.»

Mehrere Personen stehen um einen Flip-Chart und diskutiern miteinander
An den Workshops wurden mögliche Handlungsfelder diskutiert. Quelle: Tim Love Weber

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion verteilten sich die Teilnehmenden des Anlasses auf vier Workshops und berieten intensiv über die Themen «Technologiestandort», «Fachkräftestandort», «Unternehmensstandort» sowie «Mobilität und Nachhaltigkeit». Inwiefern macht Künstliche Intelligenz den Standort Zürich attraktiver, und vor allem: Welchen Einfluss hat sie auf die Arbeitswelt, auch aus ethischer Sicht? Oder: Wie kann der Kanton Zürich im Wettbewerb mit steuergünstigeren Orten bestehen? Diese und weitere Fragen entfachten lebhafte Diskussionen.

«Lasst uns unser Potenzial nutzen»

Es war spürbar: Der Kanton Zürich steht trotz guter Ausgangslage vor grossen Herausforderungen - vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Die interessantesten Lösungsansätze aus den Workshops werden nun von Fachgruppen weiterverfolgt und vertieft.

Bevor der Netzwerk-Apéro eröffnet wurde, sprach Regierungsrätin Carmen Walker Späh zu den Gästen. Dank der Standortattraktivitäts-Studie wisse man nun, wo der Wirtschaftsstandort Zürich steht, sagte sie. Jetzt gelte es, die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Einen zweiten «Tag des Standorts» würde die Volkswirtschaftsdirektorin auf jeden Fall begrüssen: «Um zu sehen, welche Fortschritte wir gemacht haben. Lasst uns das Potenzial, das wir haben, nutzen.»

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