Flexible Arbeitsformen im Fokus – grosse Vielfalt und unterschiedliche Herausforderungen

Der technologische Wandel hat den Schweizer Arbeitsmarkt in den letzten Jahrzehnten stark geprägt und durch neue Kanäle und Plattformen zunehmend flexibleres Arbeiten ermöglicht. Die Studie «Beschäftigung und Stellensuche in einer flexiblen Arbeitswelt» der Arbeitsmarktbeobachtung AMOSA zeigt die grosse Vielfalt flexibler Arbeitsformen. Eine Arbeitsform, die über die letzten Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, ist die Mehrfachbeschäftigung. Die gleichzeitige Ausübung mehrerer Tätigkeiten bringt diverse Chancen aber auch Herausforderungen mit sich. Dazu gehört auch die persönliche Altersvorsorge.

Medienmitteilung der Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau, Zug und Zürich (AMOSA)

Im Jahr 2023 waren rund 23 Prozent aller Erwerbstätigen im AMOSA-Gebiet in einer flexiblen Arbeitsform tätig. Dieser Anteil ist seit 2001 relativ konstant geblieben. Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Arbeitsformen: Befristete Beschäftigungsverhältnisse oder, auf tieferem Niveau, die Temporärarbeit haben über die Jahre an Bedeutung gewonnen. Auch üben immer mehr Menschen nicht nur eine, sondern mehrere Tätigkeiten gleichzeitig aus. Hingegen sind flexible Arbeitsformen wie Solo-Selbständigkeit oder Beschäftigungsverhältnisse mit geringfügigen Arbeitspensen in den letzten Jahren zurückgegangen.

Mehrfachbeschäftigung gewinnt an Bedeutung

Knapp neun Prozent der erwerbstätigen Personen im AMOSA-Gebiet sind mehrfachbeschäftigt. Auch eine Analyse der Erwerbsbiografien von Personen, die sich in einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Stellensuche gemeldet haben, zeigt, dass rund 12 Prozent der Erwerbsverläufe über einen längeren Zeitraum durch Mehrfachbeschäftigung geprägt sind. Es handelt sich dabei mehrheitlich um Frauen, ältere Personen und Personen mit höherem Bildungsniveau. Die Relevanz dieser Arbeitsform zeigt sich auch mit Blick in die Zukunft. Fast die Hälfte der Stellensuchenden aus klassischen Arbeitsformen kann sich vorstellen, in Zukunft gleichzeitig mehrere Jobs auszuüben.

Trotz dieser Bedeutung ist über die Hintergründe dieser Arbeitsform bisher nur wenig bekannt. Die Untersuchungen von AMOSA zeigen, dass Stellensuchende aus einer Mehrfachbeschäftigung sowie auch aus anderen flexiblen Arbeitsformen häufiger wiederholt arbeitslos werden als Stellensuchende aus klassischen Arbeitsverhältnissen. Allerdings fällt die Dauer der Arbeitslosigkeit in Erwerbsverläufen, die durch Mehrfachbeschäftigung geprägt sind, verhältnismässig kurz aus. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass Mehrfachbeschäftigte durch ihre verschiedenen Standbeine den Bezug zum Arbeitsmarkt nur selten ganz verlieren. In Bezug auf die Motive für die parallele Ausübung mehrerer Jobs zeigt sich eine gewisse Zweiteilung: Neben finanziellen Gründen zählen auch die persönliche oder berufliche Weiterentwicklung zu den wichtigsten Motiven für eine Mehrfachbeschäftigung.

Einschätzungen zur Altersvorsorge

Eine zentrale Herausforderung im Kontext flexibler Arbeitsformen ist die Altersvorsorge. Das Schweizer Vorsorgesystem ist noch immer primär auf traditionelle Lebensläufe ausgerichtet und eng an ein reguläres, stetiges Einkommen geknüpft. Entsprechend wäre es gerade für Personen in flexiblen Arbeitsformen zentral, sich aktiv mit ihrer eigenen Vorsorgesituation auseinanderzusetzen. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse der AMOSA-Befragung jedoch, dass sich Stellensuchende, die zuletzt in flexiblen Arbeitsformen tätig waren, weniger stark mit ihrer Altersvorsorge befassen und gemäss eigenen Angaben weniger gut über die Leistungen der Altersvorsorge informiert sind als Personen aus traditionellen Arbeitsverhältnissen. Eine einfache und zielgruppengerechte Information, zum Beispiel über digitale Merkblätter oder andere Informationsangebote, stellt folglich einen wichtigen Ansatzpunkt dar, um Personen aus flexiblen Arbeitsformen für Risiken und Auswirkungen von möglichen Vorsorgelücken zu sensibilisieren.

Neue Anforderungen an die Arbeitsmarktbehörden

Mit der Individualisierung von Erwerbsbiografien und der wachsenden Relevanz von verschiedenen flexiblen Arbeitsformen wird auch die Fallbearbeitung und Beratung der entsprechenden Personen durch die RAV und die Arbeitslosenkassen anspruchsvoller. Die kantonalen Arbeitsmarktbehörden von zehn Kantonen, das SECO und der Verband der Schweizer Personaldienstleister swissstaffing haben gemeinsam nach Lösungen gesucht. Optimierungspotenzial wird beispielsweise beim Angebot an arbeitsmarktlichen Massnahmen verortet. Individuellere und flexiblere Beratung und Angebote könnten dazu beitragen, Stellensuchende aus flexiblen Arbeitsformen noch gezielter bei deren Wiedereingliederung zu unterstützen. Potenzial wird auch bei einer verstärkten Nutzung von neuen Technologien beispielsweise bei der Anspruchsprüfung erkannt. Automatisierte Lösungen könnten die kantonalen Arbeitsmarktbehörden dabei unterstützen, Standardfälle effizient und korrekt zu erfassen und dabei Ressourcen freizusetzen für die vertiefte Prüfung der komplexen Spezialfälle. Dies sind Stossrichtungen, die auch im Kontext der Strategie der öffentlichen Arbeitsvermittlung 2030 von den Kantonen und dem SECO gemeinsam verfolgt werden.

Was ist AMOSA?

Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Arbeitsmarkt keine Kantonsgrenzen kennt, haben sich die Arbeitsmarktbehörden der Kantone Aargau, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, St. Gallen, Thurgau, Zug und Zürich zur gemeinsamen Arbeitsmarktbeobachtung AMOSA zusammengeschlossen. AMOSA untersucht im Auftrag der Arbeitsmarktbehörden der Mitgliedkantone arbeitsmarktrelevante Fragestellungen und erarbeitet Entscheidungsgrundlagen zur Optimierung und strategischen Weiterentwicklung der Vollzugspraxis in den Mitgliedkantonen.
 

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