Unter 45-Jährige nutzen die sozialen Angebote der Kirchen wenig

Die anerkannten Zürcher Kirchen erbringen wichtige Leistungen für die gesamte Gesellschaft, zum Beispiel im Bereich von Jugendarbeit, Sozialberatungen oder Bildung. Obwohl diese Angebote in den letzten Jahren in gewissen Bereichen sogar zugenommen haben, nehmen sie insbesondere junge Menschen weniger in Anspruch. Das ist das Resultat einer Studie der Universität Zürich.

Für die sogenannten «Leistungen mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung» erhalten die anerkannten Zürcher Religionsgemeinschaften insgesamt 50 Millionen Franken pro Jahr. Zu diesen Leistungen sind bereits mehrere Studien durchgeführt worden.

Die sogenannte «Widmer-Studie» der Universität Zürich erhob 2017 bei der Evangelisch-reformierten Landeskirche und der Römisch-katholischen Körperschaft Umfang, Bedeutung und Qualität der kirchlichen Leistungen. Die Studie hielt fest, dass der Aufwand der Kirchen für ihre Leistungen höher ist als die Summe, die die Kirchen vom Staat dafür bekommen.

Im Hinblick auf die neue Finanzierungsperiode 2026 bis 2031 haben die Direktion der Justiz und des Innern (JI), die Evangelisch-reformierte Landeskirche und die Römisch-katholische Körperschaft gemeinsam eine neue Studie in Auftrag gegeben.

Das Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich hat mittels einer Umfrage bei den Kirchgemeinden, den politischen Gemeinden und der Bevölkerung den aktuellen Stand sowie die Veränderung des Umfangs und der Bedeutung der kirchlichen Leistungen überprüft.

Erarbeitet hat sie ein Forscherteam um Professor Thomas Widmer, dem Leiter des Forschungsbereichs Policy-Analyse und Evaluation.

Anhaltende Legitimation der Kirchen als gesellschaftliche Akteure

Laut der Studie erbringen die Kirchen ähnlich viele Leistungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung wie 2017; in gewissen Bereichen sind es sogar mehr. Die kirchlichen Tätigkeiten sind grundsätzlich gut legitimiert und bei den Gemeinden und der Bevölkerung hoch erwünscht. Kirchliche Angebote stossen auch bei Personen mit nicht-christlicher Identifikation auf Zuspruch.

Auch die Gemeinden sind mit dem Angebot und dem Umfang der kirchlichen Leistungen mehrheitlich zufrieden. So bejaht beispielsweise ein ähnlicher Prozentsatz der Gemeinden wie in der letzten Studie die Aussage, dass die Landeskirchen den Einwohnerinnen und Einwohnern Sinn, Lebensorientierung und Halt vermitteln.

Rückgang der Angebotsnutzung

Die Nutzung der kirchlichen Angebote durch die Bevölkerung wiederum hat seit der Vorgängerstudie im Jahr 2017 abgenommen, dies vor allem bei den unter 45-Jährigen. Stabil geblieben und sogar teilweise erhöht hat sich die Angebotsnutzung durch die politischen Gemeinden.

Es zeigt sich weiter, dass die Bedeutung der Kirchen als öffentlich sichtbarer Akteur tendenziell abgenommen hat. Dies drückt sich zum Beispiel im abnehmenden Wissen um die kirchlichen Angebote und deren sinkende Präsenz aus.

Empfehlungen zuhanden der kantonalen Behörden und Kirchen

Die Studie spricht aufgrund der Ergebnisse Empfehlungen zuhanden der Auftraggebenden aus.

Den kantonalen Behörden empfiehlt die Studie unter anderem, eine erhöhte Transparenz zu den kirchlichen Angeboten einzufordern und den bisherigen finanziellen Rahmen zu überprüfen.

Die Auftraggebenden haben die Ergebnisse der Studie zur Kenntnis genommen und gemeinsam besprochen, wie sie mit den Empfehlungen umgehen. Zu einzelnen Anregungen gibt es schon eine klare Position: Die Empfehlung zur Einforderung von mehr Transparenz zu den kirchlichen Angeboten zum Beispiel entspricht der Empfehlung der Geschäftsprüfungskommission des Kantonsrates im Geschäftsbericht 2022. Diese Anpassungen setzen die Direktion JI und die beiden Kirchen bereits um.

Bedeutung der qualitativen Leistungen der Religionsgemeinschaften

Die Empfehlung, den bisherigen finanziellen Rahmen zu überprüfen, wird vorderhand zur Kenntnis genommen. Die vorliegende Studie von Prof. Widmer ist eines von verschiedenen Elementen, mit denen die Leistungen der Kirchen für die Gesellschaft beurteilt werden können. Sie konzentriert sich auf Leistungen, die quantifizierbar sind. Ausgeklammert bleiben dabei andere Aspekte der religiösen Tätigkeit, die für die Gesamtgesellschaft wichtig sind. Etwa in den Bereichen des sozialen Zusammenhalts, der Wertevermittlung oder der Spiritualität.

Im Auftrag der Direktion JI und der Kirchen analysieren Forschende der Universität Zürich aus den Bereichen Religionswissenschaft und Soziologie momentan solche qualitativen Aspekte. Die Studie soll aufzeigen, was ein kirchliches Angebot für einzelne Menschen und für die gesamte Gesellschaft bewirken kann. Die Studie steht kurz vor Abschluss und wird der Öffentlichkeit anfangs 2024 von den Auftraggebenden vorgestellt.
Im Laufe des kommenden Jahres wird der Regierungsrat dem Kantonsrat Antrag auf den Rahmenkredit 2026 bis 2031 stellen. Die abschliessende Gewichtung der Studienbefunde nimmt der Kantonsrat vor, indem er den Rahmenkredit beschliessen wird.

Mehr zum Thema

Der Kanton Zürich anerkennt fünf Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich: die Evangelisch-reformierte Landeskirche, die Römisch-katholische Körperschaft, die Christkatholische Kirchgemeinde, die Israelitische Cultusgemeinde Zürich und die Jüdische Liberale Gemeinde Zürich Or Chadasch.
Die Beziehungen des Kantons zu diesen Gemeinschaften sind klar geregelt. Unter anderem arbeiten Kanton und anerkannte Religionsgemeinschaften im Rahmen von gemeinsamen Arbeitsschwerpunkten zusammen.
 

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